Am 16. März urteilte der Bundesgerichtshof (BGH), dass auch ein mehrheitlich in kommunalem Besitz befindlicher Versorger – konkret ging es um die Gelsenwasser AG – als auskunftspflichtige Behörde im Sinne von § 4 Abs. 1 Landespressegesetz NRW anzusehen ist. Das Gesetz verlangt: „Die Behörden sind verpflichtet, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen.“
Funktioneller Behördenbegriff
Am 10. August veröffentlichte der BGH die mit Spannung erwartete schriftliche Urteilsbegründung. Darin heißt es: „Der Behördenbegriff des Presserechts ist nicht organisatorisch-verwaltungstechnisch, sondern funktionell-teleologisch zu verstehen. (…) Die Berichterstattung der Presse über Vorgänge im staatlichen Bereich beschränkt sich nicht auf die staatliche Eingriffsverwaltung als typische Form staatlichen Handelns, sondern umfasst auch die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben im Bereich der Leistungsverwaltung.“ Der Behördenbegriff des Landespressegesetzes umfasse daher auch „juristische Personen des Privatrechts, die von der öffentlichen Hand beherrscht und zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben, namentlich im Bereich der Daseinsvorsorge, eingesetzt werden“.
Mehrheitsbeteiligung ist entscheidend
Entscheidend für die Frage, ob die öffentliche Hand ein Unternehmen beherrsche, sei nicht, ob sie „… auf der Grundlage der aktuellen Zusammensetzung des Aufsichtsrats oder der Fassung der Satzung konkrete Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftsführung hat.“ Bereits aus einer Mehrheitsbeteiligung folge eine Gesamtverantwortung für das Unternehmen. Auch die Tatsache, dass die im konkreten Fall verlangten Auskünfte nicht die Wasser- und Energieversorgungsleistungen betrafen, sondern sich auf die Öffentlichkeitsarbeit bezogen, lässt der BGH nicht gelten: „Die Öffentlichkeitsarbeit stellt bereits keine eigenständige Geschäftstätigkeit der Beklagten dar, sondern steht im Dienste der von ihr übernommenen öffentlichen Aufgabe, die Bevölkerung mit Wasser und Energie zu versorgen.“
„Nicht ins Blaue hinein“
Das Gericht fasst zusammen: „Überall dort, wo zur Wahrnehmung staatlicher Aufgaben öffentliche Mittel eingesetzt werden, von deren konkreter Verwendung Kenntnis zu erlangen ein berechtigtes öffentliches Interesse besteht, wird auch ein Informationsbedürfnis der Presse und der Bevölkerung begründet.“ Allerdings setzt das Urteil der Auskunftspflicht auch Grenzen: „Das Auskunftsbegehren darf jedoch nicht dazu dienen, eine Ausforschung ins Blaue hinein mit dem Ziel zu betreiben, durch Zufall auf (irgend)eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse zu stoßen … Soweit das öffentliche Interesse sich nicht schon aus der Fragestellung ergibt, ist vom Auskunftsberechtigten schlüssig darzulegen, dass die verlangten Auskünfte … unter Berücksichtigung des Rechercheziels eine publizistisch geeignete Information erwarten lassen.“ Welche Informationen von öffentlichem Interesse sind, entscheide nicht das Unternehmen beziehungsweise die Behörde: „Zum Kern der Pressefreiheit gehört es, dass die Presse den Gegenstand der Berichterstattung frei wählt und dabei nach publizistischen Kriterien entscheidet, was sie des öffentlichen Interesses für wert hält.“