Zum internationalen Tag des Ozeans am 8. Juni zeigte „The Economist“ in seiner Reihe „The World If“ in einer virtuellen Reportage, wie die Weltmeere aussehen würden, wenn sie so transparent wie Luft wären. Neben Fischen und dem von Menschen verursachten Müll bekäme der Betrachter noch eine Reihe anderer Objekte zu Gesicht.
Jederzeit 1,5 Millionen Seefahrer
Auf der Oberfläche der Meere befinden sich zu jeder Zeit mehr als 111.000 Handelsschiffe mit insgesamt rund 1,5 Millionen Seefahrern an Bord. Daneben fahren etwa 500 Linienschiffe mit hunderttausenden Passagieren. Auf jedes Schiff, das sich auf dem Wasser befindet, kommen im Schnitt 30 gesunkene Wracks auf dem Meeresgrund. Wenn die Ozeane durchsichtig wären, käme zudem rund ein Dutzend mit Atomraketen beladene U-Boote ans Tageslicht. Schließlich würden durchsichtige Ozeane den Blick auf das Innenleben der Plattentektonik und hunderttausende nicht verzeichneter „Seeberge“ freigeben. All das eingerahmt von einem grünen Nebel an Plankton-Biomasse, die genauso viel biogeochemische Arbeit verrichtet wie alle Wälder, Wüsten und Landwirtschaftsbetriebe der Welt zusammen.
Der Mars ist besser kartografiert
Die Wirklichkeit sieht anders aus: Fast der gesamte Meeresboden ist dunkel. Und aufgrund der Lichtundurchlässigkeit der Ozeane ist die Oberfläche des Mars besser kartografiert als die der Erde. Doch im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte haben Verfahren wie Unterwasserschall- und die Radarhöhenmessung ein neues Bild von den Inhalten und Beschaffenheiten der Meere vermittelt. Zukünftig werden Marine-Drohnen, verknüpft mit Datenverarbeitungsinstrumenten, die Identifizierung von Gegenständen und U-Booten im Wasser erleichtern. Solche Technologien werden auch Einfluss auf die Militärstrategien der Weltmächte haben.
Seeberge sind viel flacher
Durchsichtige Ozeane würden zudem zeigen, dass der Meeresboden ganz anders aussieht als er oft dargestellt wird. Landkarten stellen diesen häufig mit sogenannten Schummerungen dar und fügen Farbe hinzu. Eine Schummerung ist eine Flächentönung, mit der in der Kartografie ein räumlicher Eindruck der relativen Höhenunterschiede des Geländes erzeugt wird. Für das ungeübte Auge müssen diese Umrisse um das Zehn- oder Zwanzigfache vergrößert dargestellt werden, wodurch der Meeresboden felsig oder zerklüftet aussieht. Tatsächlich sind die „Seeberge“ jedoch besonders flach. Bisher konnte die Höhenmessung mehr als 10.000 Seeberge aufzeichnen. Wäre der Ozean durchsichtig, wären laut Schätzungen noch hunderttausende weitere Seeberge sichtbar. Diese zusammengenommen würden ein Gebiet so groß wie Europa ergeben, das noch völlig unerforscht ist.
Den vollständigen Artikel „If the ocean was transparent: The see-through sea“ aus der Reihe „The World If“gibt es hier. Er wird auch als Supplement der Printausgabe von „The Economist“ vom 2. Juli 2016 veröffentlicht.