Am 22. März 2016 war der Welttag des Wassers. Zu diesem Termin veröffentlicht die UNESCO-Kommission jährlich den Weltwasserbericht. Der Bericht für 2016 „Wasser und Arbeitsplätze“ analysiert, welche Bedeutung die Ressource Wasser für Wirtschaft und Beschäftigung weltweit hat. Prof. Dr. Klement Tockner, Direktor am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in Berlin, über mögliche Anknüpfungspunkte zum diesjährigen Bericht.
Wasserkraft: erneuerbare Energiequelle – aber wirklich umweltfreundlich?
Hintergrund: Klement Tockner initiierte eine globale Datenbank zu zukünftigen Staudämmen. Aus der 2015 veröffentlichten Datenbank geht hervor, wo der Boom im Staudammbau stattfinden wird und welche möglichen ökologischen Auswirkungen damit verbunden sein werden. Das Besondere daran: Die Daten werden mit globalen Biodiversitätsdaten verknüpft, um die ökologisch kritischen Gebiete zu identifizieren.
Die Studie wurde von einem internationalen Forscherteam aufgegriffen. Basierend auf der Datensammlung publizierten sie eine Studie im Fachjournal Science zu den ökologischen und sozialen Folgen von 450 geplanten Dämmen an Amazonas, Mekong und Kongo (Balancing hydropower and biodiversity in the Amazon, Congo, and Mekong. Science, Vol. 351, no. 6269 pp 8. Januar 2016).
Die Wasserkraft erlebt einen weltweiten Boom
Derzeit befinden sich mehr als 3700 große Staudämme, vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern, im Bau oder in Planung. Dabei ist Wasserkraft zwar eine erneuerbare, aber nicht unbedingt eine klimaneutrale und umweltfreundliche Energiequelle. Große Ströme – wie der Amazonas oder der Ganges – werden zunehmend verbaut. Weltweit könnte so bald jeder fünfte der verbliebenen freifließenden Flüsse für Fische und andere Lebewesen nicht mehr durchwanderbar sein. In Europa boomt hingegen der Ausbau von Kleinkraftanlagen.
Diese tragen nur wenig zur Energiesicherung bei, „verbrauchen“ dabei aber überproportional viele natürliche Ressourcen in Form von freifließenden und durchwanderbaren Gewässerabschnitten. Trotz EU-Wasserrahmenrichtlinie, in der ein Verschlechterungsverbot für Gewässer verankert ist, werden viele der selbst in Deutschland nur noch selten zu findenden freifließenden Bäche unwiederbringlich verbaut. Vor diesem Hintergrund ist es unerlässlich, bei der Errichtung neuer Staudämme einen systemischen Managementansatz zu verfolgen, der sowohl ökologische als auch soziale und wirtschaftliche Konsequenzen von allen bereits vorhandenen und geplanten Dämmen innerhalb einer Flussregion berücksichtigt.
Die Stromgewinnung durch Wasserkraft muss gründlich gegen die Beeinträchtigung von Wasserressourcen, biologischer Vielfalt und Ökosystemleistungen abgewogen werden. Dies beinhaltet auch die Umsiedlung von Menschen, den Verlust natürlicher Ressourcen sowie eine unverhältnismäßige Verteilung von Kosten und Gewinnen. Die Wissenschaftler fordern deshalb deutlich verbesserte Standards für die Errichtung und den Betrieb von Wasserkraftanlagen. Die sollen nicht nur helfen, die Stromerzeugung zu optimieren, sondern gleichzeitig auch deren negative Auswirkungen minimieren.